1999, als noch alles mit DM bezahlt wurde, wagte ich es, einer Werbeanzeige zu folgen und mich bei dem einwöchigen Gartenseminar „Steinfurter Gartentage“ anzumelden. Angeboten wurde es damals vom „Landesverband der Gartenbauvereine Westfalen-Lippe e.V.“ in Zusammenarbeit mit dem „Lehrgarten des Kreises Steinfurt“. Zu der Zeit beackerte ich den Garten noch zusammen mit meinem Vater, der auch schon immer für Neuerungen offen war. Ich opferte eine Woche Urlaub, um selbst mehr über’s Gärtnern zu erfahren und nicht immer Papa fragen zu müssen. Die Themen „Duftpflanzen“, „Umweltgerechte Düngung“, „Sommerblumen“, „Obst und Gemüse“ und „Stillgewässer“ aus dem Programm sprachen mich besonders an. Wann bekommt man schon so viele Themen geballt angeboten, sagte ich mir. Da ich überhaupt nicht wusste, auf was ich mich da einlasse, fuhr ich mit ein wenig Bammel schon sehr früh dorthin. Früh, weil ich rund 140 km vor mir hatte und das Programm bereits um 10 Uhr anfing. In den letzten Jahren wurde der Beginn glücklicherweise auf 11 Uhr verschoben.
Wie ich bei meinen ersten Schritten ins historische Kötterhaus, in dem die Seminare immer stattfinden, feststellen musste, kannten sich viele der Teilnehmer bereits seit Jahren und waren froh, sich wiederzusehen. Anfangs stand ich unschlüssig dazwischen, doch schnell kam ein netter, älterer Herr, mit dem ich ein zwar kurzes, aber interessantes Gespräch hatte. Bei der späteren Vorstellung der Teilnehmer hörte ich erstaunt, dass es Willi Berndt gewesen war, ehemaliger Leiter des Kreislehrgartens und 1965 Begründer dieser Steinfurter Gartentage. Das fing ja gut an!
Als wir uns an die Tische setzten, wurde ich rasch von zwei älteren, aber richtig peppigen Damen „adoptiert“. Von ihnen erfuhr ich alles, was ich zu den Gartentagen wissen musste – und noch mehr, da sie beide jahrzehntelange Gartenerfahrungen hatten. Von einer erfuhr ich während eines Pausengesprächs endlich, warum meine Marmeladen oft zu flüssig geworden waren (damit hatte sich die Fahrt zu diesem Seminar für mich bereits gelohnt - obwohl dieses Thema gar nicht auf dem Plan stand). Da wir drei als Minigruppe auch die Pausen zusammen verbrachten und ich bei ihnen im Auto mitfahren durfte, verflog mein „fremdeln“ schon nach kurzer Zeit und ich freute mich auf jeden neuen Tag. Da außerdem der Rahmen des Gartenseminars wie das rustikale Ambiente des Kötterhauses, das riesige und abwechslungsreiche Angebot des Lehrgartens, die Versorgung der Teilnehmer mit Informationen und Getränken sowie die perfekte Planung der gesamten Woche top waren, wurde diese Zeit zu einer unvergesslichen Woche für mich.
Als wir uns am Freitagnachmittag trennten, war mir klar: hier gehe mindestens noch einmal hin – dieser Urlaub hat sich gelohnt! Noch einmal?? Seit 1999 habe ich keinen Termin der Steinfurter Gartentage verpasst und in meinem Garten kann man so etliche Anregungen, die ich mitgenommen hatte, wiederfinden; mit den Jahren hat sich auch meine Frau (und gelegentlich Verwandte und Bekannte) dazugesellt. So haben wir uns peu à peu von Neulingen zu „alten Hasen“ gewandelt, die sich jedes Jahr freuen, die Wiederholungs- Teilnehmer zu sehen und neue Gesichter kennenzulernen. Deshalb sind wir begeistert, dass es zumindest so scheint, als wenn in diesem Jahr endlich wieder das Seminar durchgeführt werden kann und hoffen, noch einen Platz zu ergattern. Dabei hat sich der Ablauf dieses Seminars bis auf einige organisatorische Anpassungen kaum verändert. Sogar der Büchertisch, auf dem für die Teilnehmer ausgesuchte Fachliteratur zu den Themen der Woche liegt, gehört immer noch dazu. Wer bis Mittwochmittag Bücher bestellt, kann sie dann am Freitag mit nach Hause nehmen. Auf der Hinfahrt zu den Gartentagen sind sich meine Frau und ich stets einig, dass wir kein Buch bestellen werden. Doch dann…
Anziehend ist in jedem Jahr die Mixtur der jeweils angebotenen Vorträge: neben „normalen“ Themen wie Düngung, Pflanzenschutz und Blumen/Gemüse, die in den unterschiedlichsten Aspekten behandelt werden, werden auch Vorträge angeboten, die ich zu Hause niemals besucht hätte. 2008 war es zum Beispiel das Referat von Rolf Maeter über „Bonsai – eine alte fernöstliche Art der Gartenkunst“. Viele der Teilnehmer (und auch ich) hatten kein großes Bedürfnis, hieran teilzunehmen. Doch als wir die interessanten Details über die Werkzeuge, die Materialien und die Gestaltungsmöglichkeiten hörten, waren wir alle fasziniert. Als der Referent diese Begeisterung spürte, hat er, da er nicht weit entfernt wohnte, spontan alle Interessierten zu sich nach Hause eingeladen, wo sein ganzer Garten mit Bonsais bestückt war. Ja, so kann es kommen! Auch aktuelle Themen wie die Veränderungen im Garten durch den Klimawandel werden in den Vorträgen mit angesprochen. Als besondere Highlights sehen wir alljährlich die Präsentationen von Klaus Krohme, dem Leiter des Kreislehrgartens und Angelika Laumann an, die beide humorvoll, kenntnisreich und kurzweilig uns als Zuhörer begeistern. Da sie hier „zu Hause“ sind, können sie ihre Vorträge so gestalten, dass sie den Theorieteil im Kötterhaus und die praktische Umsetzung im Lehrgarten präsentieren können. Hoffentlich wird Frau Laumann bei ihrem diesjährigen Thema „Würzig – herb ist nicht verkehrt“ wie so oft was Leckeres und Außergewöhnliches zum Probieren dabei haben, so dass wir nicht nur die Rezepte auf dem Papier nachlesen, sondern auch den realen Geschmack auf der Zunge kennenlernen können.
Anfangs war ich fast in jedem Jahr in einer anderen Unterkunft untergebracht. In den letzten Jahren jedoch wohnten wir mit vielen anderen Teilnehmern in der „Lindenwirtin“ in Steinfurt, wo die Organisatoren stets Zimmer für die Seminaristen reservieren. Diese gemeinsame Unterkunft hat den Vorteil, dass sich Fahrgemeinschaften bilden können, um zum Kreislehrgarten zu fahren. Schön war es auch, dass wir Teilnehmer uns abends zum Tagesausklang und morgens zum Frühstück treffen konnten, um über das Erlebte zu fachsimpeln. Diese Gelegenheit hatten wir auch donnerstag abends beim gemütlichen Beisammensein im Kötterhaus. In diesem Jahr gibt’s was Neues: ein „Kochevent mit Grillmenü“, bei dem alle nicht nur genießen, sondern auch die bisherige Woche Revue passieren lassen können.
Da jeder Tag der Woche mit Themen vollgepackt ist, vergeht die Zeit wie im Flug – und schon heißt es am Freitag Abschied nehmen. Einerseits schade, dass es vorbei ist; aber andererseits freut man sich, dass man endlich nach Hause kommt, um all das in die Tat umsetzen zu können, was man theoretisch bei den „Steinfurter Gartentagen“ gelernt hat.