56. Steinfurter Gartentage – Ein Rückblick

„Vogelgezwitscher macht so glücklich wie eine Gehaltserhöhung“ oder „einige Pilze können Radio­aktivität und Kunststoffe zersetzen“ das sind die kleinen, aber feinen Nebenbei-Informationen, die die alljährlichen Steinfurter Gartentage, die in diesem Jahr vom 12. bis 16. Juni stattfanden, ausmachen. Hinzu kommen die Vorträge und Praxistipps von ausgewiesenen Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen.

Bei der offiziellen Eröffnung im Kötterhaus stellte der Präsident des Landesverbandes der Gartenbauvereine NRW e.V. mit nicht geringem Stolz fest „die Steinfurter Gartentage sind der Klassiker in unserem Bildungsprogramm“. Er forderte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf, die Zeit zu nutzen und sich inspirieren zu lassen, denn es gibt immer etwas Neues zu entdecken. Dass der Kreislehrgarten mit jährlich bis zu 100.000 Gästen ein echter Besuchermagnet ist, betonte Claudia Bögel-Hoyer, Bürgermeisterin der Stadt Steinfurt und Vorsitzende des Fördervereins des Kreislehrgartens. Sie führte auch die jahrzehntealte und beliebte Tradition fort, die Gäste während der Eröffnungsansprachen mit einem exklusiven Imbiss zu verwöhnen.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 56. Steinfurter Gartentage

Auch die Geschäftsführerin des Landesverbandes der Gartenbauvereine NRW, Dr. Petra Bloom, freute sich über die zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die nicht nur aus der näheren Umgebung, dem Münsterland und anderen Teilen Nordrhein-Westfalens sondern sogar aus Berlin die weite Anfahrt in Kauf genommen hatten, um an diesem einzigartigen Seminar teilzunehmen. „Im Laufe der Woche werden sich noch einige Tagesteilnehmer zu Einzelvorträgen einfinden“ kündigte sie an. Diese Möglichkeit zur Teilnahme werde immer beliebter, da nicht jeder Garteninteressierte eine komplette Woche einplanen kann. Bei der anschließenden Vorstellungsrunde der Teilnehmerinnen und Teilnehmer merkte man, wie unterschiedlich die Motivation zur Teilnahme und die Garteninteressen der einzelnen Gäste waren.

Nach dem obligatorischen Fototermin mit dem Redakteur der Westfälischen Nachrichten schloss sich der erste Rundgang durch den Kreislehrgarten mit Angelika Laumann, Gärtnerin in diesem außergewöhnlichen Garten, an. Sie stellte das Gelände vor und erklärte im Obstquartier die Besonderheiten der unterschiedlichen Bäume und Sträucher. Immer wieder musste sie sich bei der Beschreibung der einzelnen Beete bremsen und erläuterte verschmitzt: „Oh, hier darf ich nichts sagen. Das hören Sie dann später bei den Vorträgen!“

Nachmittags begann dann das Fachprogramm mit dem Vortrag „Bäume verstehen und richtig pflegen“ der engagierten Gärtnermeisterin und zertifizierte Baumkontrolleurin Barbara Gerlach. Bei der Betrachtung eines Baumes sollte ein Mensch stets folgendes bedenken „Bäume begleiten uns ein Leben lang – wir sie nur einen kleinen Teil ihres Lebens“. Dass Bäume Lebewesen und kein wachsendes Holzgerüst sind, führte sie anhand von eindrucksvollen Bildern vor. So hätte zum Beispiel eine Kappung, das heißt Entfernung eines Großteils der oberen Äste, nichts mit fachgerechter Baumpflege zu tun. Nach so einer brutalen Aktion bilde der Baum an den Schnittstellen „Angsttriebe“, mit denen er sein Überleben sichern wolle, doch nicht immer gelinge ihm das. Auch Starkastschnitte (über 10 cm Durchmesser) und eine falsche Schnitt­technik könnten zu Schäden führen. Mehr dazu findet man unter https://hortusvivendi.de/category/baeume-und-gehoelze/

Birdiary am Dienstgebäude im Kreislehrgarten

Am Dienstag eröffnete die Biodiversitäts-Beauftragte im Kreis Stein­furt, Jessica Focke, den zweiten Tag der Gartentage mit dem Vortrag „Vogelfreundlicher Garten – Lebensraum schaffen und Arten fördern“. Von ihr erhielten die Zuhörer zahlreiche Tipps, wie man mög­lichst viele unterschiedliche Vogelarten im eigenen Garten beheimaten kann. Dabei gilt es für Körner-, Insekten- und Alles­fresser Futter anzubieten und Nistmöglichkeiten zu schaffen, z.B. durch dornige Sträucher, begrünte Fassaden oder verschiedene Nistkästen. Zudem sollte man den Vögeln Wasser, Hecken oder Sandstellen anbieten. Beim anschließenden Gang durch den Kreislehrgarten bewies Frau Focke ihre außergewöhnlichen ornithologischen Kenntnisse. Wo die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur „Vögel“ hörten, wusste sie sogleich „Mönchs­gras­mücke“  und das war nur eine der von ihr erkannten Singstimmen!

Technischer wurde es beim Vortrag von Jan Stenkamp, Master-Student im Bereich Geo-Informatik an der Universität in Münster. Er stellte unter dem Titel „Wie divers ist mein Garten? Biodiversitäts-Monitoring an heimischen Vogelfutterstationen“ eine smarte Fütterungsstation vor, die mittels diverser Sen­soren, wie Waage, Kamera und Mikrophon, eine automatische Identifikation der Vögel ermöglicht, die sich in der Futterstation bedie­nen. Mehr als 20 Gärten in vielen Teilen Deutsch­lands sind im Rahmen des Citizens-Science-Projektes mit solchen „Birdiarys“ ausgestattet und ermöglichen durch eine gemeinsame Aus­wertung im Internet eine brauchbare Unter­stützung der Forschung auf diesem Gebiet. Im Kreislehrgarten hängt auch eine solche Futter­station. Näheres dazu findet man unter www.wiediversistmeingarten.org

Am Nachmittag berichtete Angelika Laumann unter dem erstaunlichen Titel „Von gefräßigen Glücksbringern und beliebten Wildlingen“ über Nützlinge im Garten. Sie begann mit einem Team-Quiz, dessen Fragen im Laufe ihres Vortrages beantwortet wurden. Es ging darum, im Garten vorhandene Nützlinge zu erkennen und zu fördern. Hierfür hatte sie eine Vielzahl von faszinierenden Nahaufnahmen parat. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Quiz-Gruppen mit der geringsten Punktzahl erhiel­ten ein Exemplar der neuen Broschüre „Garten Paradies Kreislehrgarten“. „Die Gewinner wissen ja schon viel“ begründete Frau Laumann ihre ungewöhnliche Entscheidung.

Eine Auswahl an ausdauernden und kälteverträglichen Gemüsearten ist auch im Kreislehrgarten zu finden

Am Mittwoch zeigte das Thermometer zwar knapp 30 °C, aber der Vortrag von Petra Bloom, gelernte Gärtnerin und Gartenbau-Ingenieurin, zum Thema „Ernte rund um’s Jahr – Anbauplanung für Wintergemüse“ brachte zunächst ein wenig mentale Abkühlung. Viele der im Winter angebotenen Gemüse­arten werden bei hohem Wasserverbrauch und unter katastrophalen Arbeitsbedingungen in Südeuropa produziert. Auch der „regionale“ Anbau in beheizten Gewächshäusern in den Niederlanden ver­schlingt Unmengen an Energie. Nachhaltig ist das nicht! Wie es gelingt, die eigenen Gemüsebeete in allen vier Jahreszeiten zu nutzen und welche Arten hierfür geeignet sind, wurde im Vortrag erläutert. Dann ging es raus in den Bauerngarten im Kreislehrgarten, wo einige robuste Kohlsorten wie Palmkohl, Rosenkohl, Flowersprouts, verschiedene historische Grünkohlsorten und andere sel­tene Gemüsearten wie Spargelsalat, Erdbeer­spinat und die Zuckerwurzel gedeihen. Danach wurden im schattigen Pavillon Endivien, Blattzicho­rien, Butterkohl und Sprossenbrokkoli für das Wintergemüsebeet im Urbanen Waldgarten auf der Landesgartenschau in Höxter ausgesät – nebst praktischen Tipps, was bei der Aussaat zu beachten ist.

Ein außergewöhnliches Thema stand am Nachmittag auf dem Programm. Sabine Hörnicke, Pilzwirtin und Trüffelsachverstän­dige, referierte unter dem Motto „Wir machen Holz essbar“ über den Anbau von Speisepilzen. Die engagierte Pilzsachverständige setzt sich dafür ein, dass z.B. in der Forstwirtschaft neben den Pflanzen und den Tieren die Spezies der Pilze nicht vergessen wird. Schließlich bringen Pilze nicht nur Krankheiten. Sie spielen im Kreislauf der Natur als Schmarotzer, Zersetzer und Symbionten eine wichtige Rolle. Wie beispielsweise die Mykorrhiza-Pilze gehören, die Pflanzen bei der Aufnahme von Nähr­stoffen und Wasser unterstützen. Die Teilnehmer hatten am Ende des Vortrags die Möglich­keit, Pilzbrut vom Shiitake-Pilz mitzunehmen, um eigene Speisepilze zu ernten. Man kann gespannt sein, was die frisch gebackenen Pilzzüchter im nächsten Jahr zu berichten haben. Wer wollte, konnte auch mit Trüffeln mykorrhizierte Haselsetzlinge aus Sabine Hörnickes Baumschule kaufen. Näheres dazu unter https://www.pilzwirt.de/

Nach den kälteresistenten Gemüsen und feuchtigkeitsliebenden Pilzen am Mittwoch ging’s am Donnerstag mit hitze- und trockenheitsverträglichen Pflanzen und dem Thema „Der Vorgarten – artenreich und pflegeleicht“ weiter. Zu Beginn hielt Dr. Petra Bloom ein Plädoyer gegen leider immer noch verbreiteten Schotterwüsten statt Vorgärten. Diese sind weder pflegeleicht, da Staub und Flugsamen für viele unerwünschte Pflanzen sorgen, noch umwelt- und artenfreundlich. Im Gegenteil, die negativen Effekte des Klimawandels werden verstärkt: wenig Verdunstung, keine Versickerung, Überhitzung und kaum Abkühlung nachts sowie Verlust von Biodiversität und Humusabbau. Um das langfristig zu ändern, solle man gegen diese Art von Gärten nicht nur Position beziehen, sondern auch mit einem schön gestalteten Vorgarten ein nach­ahmenswertes Beispiel liefern.

Sandmulchbeet im neu gestaltete Päriegarten

An dieser Stelle übernahm Florian Stücker, Gärtner im Kreislehrgarten, das Programm und zeigt am Beispiel des Staudenbeetes vor dem Kötterhaus, dass die artenreiche Gestaltung eines pflegeleichten Vorgartens kein Widerspruch ist. Anhand vieler Bilder erläuterte er die Umgestaltung des vormals arbeits- und pfle­geintensiven Wechselflorbeetes in ein attraktives, farbenfrohes Blütenmeer aus pflegeleichten und trockenresistenten Stau­den, Blumenzwiebeln und Gehölzen. Das Beet ist mit einer 6 – 8 cm dicken Schicht aus Splittmulch abgedeckt. Dass solch ein mineralischer Mulch verdunstungsmindernd wirkt, demonstrierte Florian Stücker anschließend in dem neu angelegten Sand­beet im Kreislehrgarten. Er schob eine ca. 10 cm starke Sandschicht beiseite und zeigte den Teilnehmern die feuchte Erde darunter – das hatte keiner vermutet.

 

 

Rosenblüten in voller Pracht

Der Donnerstagnachmittag gehörte dem Leiter des Kreislehrgartens, Klaus Krohme. Sein Thema „Rosenbegleiter in ihrer Vielfalt – Kom­binationen mit Stauden, Gehölzen und Gräsern“. Gewohnt routiniert stellte er zuerst anhand von aussagekräftigen Bildern die verschiedenen Rosentypen vor. Der Fokus des ersten Rundgangs durch den Kreislehrgarten lag dann bei den Hochstamm- oder Kaskaden­rosen. Klaus Krohme machte darauf aufmerk­sam, dass es einmal- und öfter blühende Rosen gibt und was beim Schnitt nach der Blüte zu beachtet sei. Im zweiten Teil des Vortrages ging es um geeignete Rosenbegleiter: vom Ziersalbei über den Storchschnabel und den Glockenblumen bis zu den Gräsern, Klematis sowie den Knollen- und Zwiebelgewäch­sen. Sein universeller Tipp: „Begleiter mit weißer Blütenfarbe passen immer“.

Am Donnerstagabend stand der gemütliche Abend auf dem Programm. Anfangs ließ die Geschäftsführerin des Landesverbandes der Gartenbauvereine die vergangenen Tage in einer Fotoshow Revue passieren. Schon jetzt kam ein wenig Wehmut auf, weil sich diese schöne Zeit dem Ende zuneigte. Doch das anschließende Essen mit diversen Köstlich­keiten und süßem Finale brachte wieder die lockere Atmosphäre der letzten Tage zurück.

Exkursion zum Rosenzentrum Westmünsterland

Dann kam der Freitag – der Abschiedstag mit dem Besuch des Rosenzentrums Westmünster­land in Rosendahl-Osterwick, mit über 600 Rosensorten eines der größten in Deutschland. Marcel Dahlke referierte bei strahlendem Sonnenschein darüber, was bei Rosen zu beachten sei. Ausschlaggebend für eine üppig wachsende Rose sei die Düngung, die so tief eingearbeitet werden solle, dass sie rasch bei den Wurzeln ankomme. Pflanze man eine Rose in einen Kübel, sei es sehr wichtig, sich für eine gute Erde zu entscheiden, um spätere Enttäuschungen zu vermeiden. Nach der Stärkung mit Kaffee und Kuchen flanierten die verblie­benen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 56. Steinfurter Gartentage noch durch die langen, rosen­gesäumten Gassen des Zentrums. So mancher hatte beim Verlassen des Gebäudes eine Rose, ein paar Schutzhand­schuhe oder einen Umtopf unter dem Arm. So ist es eben bei den Stein­furter Gartentagen: irgendwas bleibt immer hängen…

 

Und dann war die Woche zu Ende. Viele machten sich mit einem lachenden (Freude auf den eigenen Garten) und einem weinenden Auge (Abschied von der fast familiären Garten­tage-Gruppe) auf den Heimweg und hoffen, auch im nächsten Jahr wieder dabei sein zu können.

Die 57. Steinfurter Gartentage finden voraus­sichtlich vom 02. bis 06. September 2024 statt. Bitte merken Sie den Termin schon vor. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen!

Text und Bilder: Manfred Kotters und Petra Bloom