Ihr Manfred Kotters

Arbeitet man im Garten?

Wir Hobbygärtner kennen den Satz: „Dein Garten sieht aber nach viel Arbeit aus!“ Ich habe bisher immer geantwortet: „Das ist keine Arbeit – das ist eine Beschäftigung für mich.“ Aber – was heißt „Arbeit“ denn überhaupt? Ich habe einfach mal eine gefragt, die alles wissen sollte: die KI, sprich die künstliche Intelligenz. Sie bot mir mehrere Definitionen; die Erwerbsarbeit zum Beispiel würde sich allein auf die Herstellung von Gütern und Dienstleistungen beschränken. Ach nein, das greift nun wirklich viel zu kurz; da sind die Tätigkeiten im Garten doch wesentlich vielfältiger. Etwas besser traf die Aussage: „Arbeit ist eine spezifisch menschliche Tätigkeit, die sowohl körperliche als auch geistige Aspekte umfasst“. Okay – danach arbeite ich tatsächlich im Garten: hacken, gießen oder Gartenplan erstellen sind nun mal körperliche und geistige Tätigkeiten. Doch dann kam das Beste, aufgrund dessen ich nie mehr abstreite, dass ich im Garten arbeite: „Arbeit ist insofern ein gestaltender, schöpferisch produzierender und sozialer, zwischen Individuen vermittelnder Akt“. Na, das ist zwar ein bisschen hochgestochen dahergesagt, aber beschreibt uns Hobbygärtner doch recht genau; insbesondere, wenn wir laufend unsere Gartenerfahrung mit anderen austauschen!

Ehrlich gesagt, habe ich mir bis jetzt noch nie so richtig Gedanken darüber gemacht, was so alles unter den Begriff „Gartenarbeit“ fällt. Diejenigen, die wie ich die Lebensarbeitszeit hinter sich gelassen haben, werden das kennen: man macht das, was gerade anfällt. Die weniger routinierten oder auch diejenigen mit einem langen Arbeitstag werden natürlich so manches Mal, wenn sie die Zeit finden, im Garten zu sein, denken: „Huch, was haben die Tomaten plötzlich so lange Seitentriebe, da muss ich jetzt schnell eben dran!“ Oder: „Drei Kilo Brombeeren soll ich bis heute Abend verarbeitet haben? Um 18 Uhr wollten wir doch zum Geburtstag von Franz-Josef!“ In solchen Situationen kann man einen kleinen Touch von „muss“ verspüren – obwohl das Ausgeizen auch einen Tag warten kann und in den meisten Haushalten eine Gefriertruhe zum Zwischenlagern von Überschuss steht. Eigentlich sollte die Maxime bei den Gartenbesitzern eher sein: „ich darf bzw. ich kann in den Garten“. Schließlich sorgt diese kleine Landfläche dafür, dass wir nicht rosten, da wir nicht rasten. Sofa, Beine hoch und Mattscheibe laufen lassen haben natürlich auch ihren Reiz und sollten wirklich zwischendurch genossen werden, doch Bewegung, frische Luft und das Ernten von frischem Obst und Gemüse haben dagegen einen wesentlich höheren Stellenwert.

Nicht zu vergessen sind auch die ruhigen Phasen im Gartenleben, wobei man komplett abschalten und auf andere Gedanken kommen kann bzw. muss, da man sich voll auf eine Tätigkeit konzentrieren muss, um Fehler zu vermeiden. Ich denke da ans Pikieren oder Umtopfen von Jungpflanzen oder das Schneiden von Bäumen und Sträuchern. Der positive Nebeneffekt: die Gedanken kreisen nur um das Gartenproblem – vorherige Probleme spielen in der besagten Zeit keine Rolle. Eine mittlere Konzentration erfordert das Jäten. Mit meiner langjährigen Gartenerfahrung ist es zum Glück für mich ein Leichtes, die gesäten Nutzpflanzen von den Unkräutern zu unterscheiden. Allerdings tauchen immer wieder Pflänzchen auf, die mir unbekannt sind. Mal sind die Samen von außen hereingeweht und mal stammen sie aus dem Winterfutter für die Vögel. Mein Motto lautet zumeist: erst mal abwarten – vielleicht wird es ja eine botanische Sensation (obwohl ich das noch nie erlebt habe). Ansonsten kann ich meine Gedanken beim Unkrautziehen einfach locker laufen lassen.

Gänzlich gedankenlos dagegen kann ich draußen auf der schattigen Gartenbank vor mich hinarbeiten, wenn die Puffbohnen ausgepult, Möhren geschrubbt oder Johannisbeeren entstielt werden. Da ich hierbei meine Gehirnleistung kräftig herunterfahren kann, kann ich getrost behaupten, dass ich in dieser Zeit quasi meditiere. Ähnlich blindlings arbeite ich beim Schälen von Äpfeln und Kartoffeln sowie beim Kleinschneiden von Quitten vor dem Entsaften oder Erdbeeren, Rhabarber und Stachelbeeren vor der Marmeladenzubereitung. „Was machst du dir doch für eine Arbeit“, lauten dann die Kommentare, wenn man mich bei dieser vermeintlich kleinkarierten Arbeit „erwischt“. Doch für mich zählt allein das spätere Ergebnis, sprich eine leckere, nicht zu flüssige Marmelade – da investiere ich gerne etwas mehr Zeit. Außerdem empfinde ich diese Schneidetätigkeit als totale Entspannung: wenig denken, wenig bewegen und viel Kraft schöpfen. Ja, auch das fällt unter die Überschrift „Gartenarbeit“.

Als Fazit meine ich feststellen zu können: jegliche Arbeit im Garten tut uns auf die eine oder andere Weise gut, weil wir sie gerne und freiwillig machen. Würde man die gleichen Tätigkeiten als Angestellter oder Eigentümer einer Gärtnerei oder einer anderen Firma ausüben, um seinen Lebensunterhalt damit zu finanzieren, würde diese Freiwilligkeit fehlen. Stattdessen würde man mehr oder weniger den Druck der Sollerfüllung spüren und dadurch eventuell den Spaß an der Sache im Laufe der Jahre vermindern und sogar irgendwann verlieren. Freuen wir uns also, dass wir die Möglichkeit haben, in unserer Freizeit im Garten arbeiten zu können, um gestaltend und schöpferisch produzierend sowie sozial und zwischen den Individuen vermittelnd tätig zu sein…

Text: Manfred Kotters,
Bild: Petra Bloom