Neben dem Tier- und Pflanzenreich gibt es noch ein weiteres: das merkwürdige Reich der Pilze. Merkwürdig, da sie in vielen Bereichen völlig unterschiedlich unterwegs sind: als Nahrung (z.B. Pfifferling, Champignon) oder als vielseitige Helfer bei der Reinigung der Umwelt sowie der Herstellung von Brot, Bier, Wein (Hefen), Käsen (z.B. Brie, Camembert), Medikamenten (Penicillin) oder Biokraftstoffen. Dadurch, dass bestimmte Pilze symbiotische Beziehungen zu den Pflanzenwurzeln von Bäumen, Gemüse- und Zierpflanzen bilden, verbessern sie die Nährstoffaufnahme dieser Pflanzen. Im Kreislauf der Natur spielen sie zudem durch die Zersetzung von organischen Stoffen eine wichtige Rolle. Da solche Zersetzungspilze manchmal auch unsere Kulturpflanzen als Wirt und somit als Nahrungsquelle auswählen, sind sie uns nicht immer willkommen. Und damit sind wir auch schon bei denjenigen Pilzen, die von uns Menschen eher mit negativen Emotionen gesehen werden. Im Garten sind das z.B. Mehltau, Apfelschorf oder Malvenrost. An unserem Körper sind das z.B. Fuß- bzw. Nagelpilz und im Haushalt Schimmelpilze. Am krassesten sind natürlich die Giftpilze (z.B. Knollenblätterpilz), die uns sogar das Leben nehmen können. Trotz allem: faszinierende Lebewesen.
Aus diesem Grunde habe ich mich vor einiger Zeit auch sehr gefreut, als das Thema „Pilze“ vor zwei Jahren bei den Steinfurter Gartentagen mit auf dem Programm stand. Sabine Hörnicke, Pilzwirtin und Trüffelsachverständige, beleuchtete nicht nur die unterschiedlichen Facetten der Pilze, sondern erläuterte auch, wie einfach und doch kompliziert die Anzucht von Pilzen sein kann. Am Schluss des Seminars konnte man etwas Pilzbrut mitnehmen, um zu Hause zu experimentieren. Klar, dass ich mir diese Gelegenheit nicht entgehen ließ. Nach der Rückkehr aus Steinfurt begann ich sofort, das umzusetzen, was ich gelernt hatte: in die mitgenommene Pilzbrut drückte ich feuchte Holzdübel, die nach einiger Zeit tatsächlich von einem weißen Pilzrasen überzogen waren. Das hatte dann schon mal geklappt. Für diese infizierten Dübel bohrte ich entsprechende Löcher in ein Stammstück, um dem Pilz genügend Nahrung für die Zukunft zu geben. Soweit die Theorie; denn der Pilz nahm mein großzügiges Geschenk nicht an. Leider stammte die Pilzbrut nämlich vom Shiitakepilz. Ein wertvoller, schmackhafter Speisepilz, der allerdings wie die meisten Pilze seine eigenen Bedingungen benötigt: nämlich am liebsten Eichenholz. Auch das Alter des zu infizierenden Stammes ist mitentscheidend: ist er zu jung, sind im Holz noch pilzhemmende Substanzen, mit denen der Baum sich vor Infektionen schützt – ist er dagegen zu alt, können bereits andere Pilze das Holz besiedelt haben, die dann natürlich ihren Lebensraum verteidigen. Das war also mein Fehler: ich habe einfach ein Stammstück genommen, das der Nachbar noch in seiner Werkstatt hatte. Also: keine Eiche und viel zu alt und zu trocken. Das konnte einfach nichts werden. Okay, das war dann also ein Fehlversuch – aber kein Grund, aufzugeben.
Zufällig sprach ich einige Zeit danach mit einem Hobby-Pilzzüchter und bekam von ihm eine kleine Einführung in sein Steckenpferd: wichtig sind die Grundvoraussetzungen, sprich die Behandlung des Holzes. Es sollten Stammstücke von ca. 1,20m Länge und ca. 20-30cm Durchmesser genommen werden. Sie sollten nach dem Baumfällen rund vier bis sechs Wochen ruhen. Damit die Schnittflächen nicht austrocknen, empfahl er, diese mit Latexfarbe zu bestreichen. Nach der Lagerung werden die Stammstücke zwei bis drei Tage gewässert, danach mit der Pilzbrut beimpft und anschließend eingemietet. Das geht folgendermaßen: die Stammstücke werden auf eine Palette gelegt, mit Bio-Stroh (konventionelles Stroh ist zumeist mit pilzhemmenden Mitteln behandelt worden) abgedeckt und gut gewässert. Als Abschluss kommt eine Plane, die Luftlöcher enthält, darüber. Nun lässt man der Pilzbrut drei bis vier Monate Zeit, durch das Holz zu wachsen. Danach kommen die Hölzer an einen feuchten und schattigen Standort (z.B. feuchter Keller). Jetzt heißt es warten und gegebenenfalls wässern bis die ersten Fruchtkörper erscheinen. Ernten kann man bis zu dreimal im Jahr und das fünf bis sechs Jahre lang.
Jetzt war ich auf den Geschmack gekommen und fand im Internet eine Möglichkeit, recht „idiotensicher“ eine Pilzernte zu erzielen: fertige Pilzbrut, bei der man außer Ernten nicht viel machen muss. Es kam allerdings schnell die Frage auf: welche Pilzsorte wähle ich eigentlich? Die Auswahl bei den verschiedenen Lieferanten war enorm: vom halbwegs bekannten Rosenseitling oder Limonenpilz bis zu Enoki, Nameko, Pom Pom und Pioppino war alles im Angebot. Ich entschied mich letztendlich für den Austernseitling, da dieser unkompliziert und pflegeleicht sein sollte. Den Betrag von 25,- bis 30,-€ habe ich gerne investiert, da ich hiermit einen gänzlich neuen „Gartenbereich“ betreten konnte. Schon kurz nach der Bestellung kam das Paket mit den neun Litern Pilzbrut. Laut Beschreibung sollte ich sie im Keller oder einem anderen schattigen Platz im Temperaturbereich von 8-22°C stellen und spätestens nach zwei Wochen diese Kultur aktivieren. Aktivierung hieß: vier Mal kreuzförmig die Kunststoffhülle, die die Pilzbrut beinhaltete, einschneiden. Jetzt musste ich nur noch warten. Zum Glück bin ich fast täglich in den Keller zu der Pilzkultur gegangen; denn die Fruchtkörper schossen wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Substrat: zügig bildeten sich an den Löchern kleine Hügelchen, die sich rasch vergrößerten und nach nur ein paar Tagen zu recht großen, erntefähigen Pilzen wurden. Ich war begeistert. Nach der Ernte musste ich die geschnittenen Löcher wieder zukleben, einige Wochen warten und erneut an anderer Stelle einschneiden – und ernten. Diese Prozedur konnte ich ein paar Mal wiederholen. Die gesamte Vorgehensweise stand ausführlich in der mitgelieferten Beschreibung.
Als die Pilzbrut erschöpft war, hätte ich sie einfach auf dem Kompost entsorgen können. Aber ich neige nun mal zum Experimentieren; also habe ich sie zerbröselt und mit feuchten Hobelspänen und Sägemehl (hauptsächlich von der Kastanie, da Nadelhölzer nicht geeignet sind) vermischt. Meine Hoffnung: durch die frische Nahrung würde der Pilz nochmals angeregt, mir seine Fruchtkörper zu schenken. Der Erfolg war so lala (als Schulnote wäre es eine vier minus gewesen): nach vielen Monaten des Wartens konnten wir nämlich nur noch ein weiteres Mal Austernseitling auf unseren Speiseplan setzen. Na immerhin.
Noch zwei Tipps: Bevor man mit der eigenen Pilzzucht anfängt, ist es ratsam, sich bei einem erfahrenen (Hobby-)Pilzzüchter zu informieren. Und wer nicht weiß, was er einem Hobbygärtner schenken soll, der kann mit so einer Pilzbrut einen sicheren Überraschungserfolg erzielen: außergewöhnlich, lecker, schnelle Ernte und zumeist ganzjährig zu bekommen!
Text und Bilder: Manfred Kotters