Nach zwei Corona-bedingten Absagen konnten vom 16. bis 20. Mai 2022 endlich wieder Steinfurter Gartentage stattfinden. Anlässlich des 55. Jubiläums war bereits vor drei Jahren vom Landesverband der Gartenbauvereine NRW e.V. und vom Team des Kreislehrgartens in Steinfurt ein attraktives Programm ausgearbeitet worden, das nach zwei Jahren Wartezeit endlich mit einigen kleinen Änderungen durchgeführt werden konnte.
Der Präsident des Landesverbandes der Gartenbauvereine, Carsten Rehers, erinnerte bei der Eröffnung am Montag an die Bedeutung der Gärten und des Gärtnerns in den zurückliegenden Corona-Jahren. Die eigene Scholle habe viel dazu beigetragen, die Einschränkungen der Pandemie erträglicher zu gestalten, bemerkte er. Kehrseite der Medaille sei allergings, dass das Wissen rund um Gartenbaukultur mitunter fehlte. „Nicht selten war dann der Rat der Großelterngeneration gefragt.“ Daher appellierte er an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, das bei den Gartentagen erworbene Fachwissen an Nachbarn und Freunde und vor allem an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben.
Der Landrat des Kreises Steinfurt, Dr. Martin Sommer, verwies in seinem Grußwort auf die lange Tradition der mehrtägigen Veranstaltung und auf deren Einzigartigkeit, denn „bundesweit gibt es kein vergleichbares Seminar“. Der Chef der Kreisbehörde betonte, dass man großen Wert darauf lege, den Kreislehrgarten, der als einziger seiner Art von ehemals vielen mehr als hundert Jahre überdauert hat, attraktiv zu halten und aktuelle Themen zu integrieren. Ein Beispiel dafür sei der neue Biodiversitätspfad mit 15 Stationen, der das Bewusstsein für Lebensräume wecken und dem Artenschwund entgegenwirken solle. In diesem Sinne wünschte er den Teilnehmerinnen und Teilnehmern allesamt viel Inspiration für den eigenen Garten.
Auch die Bürgermeisterin der Stadt Steinfurt, Claudia Bögel-Hoyer, lobte die Besonderheit des Veranstaltungsortes und bedankte sich in ihrer Funktion als Vorsitzende des Fördervereins des Kreislehrgarten bei ihren Kollegen in der Kreisverwaltung für dessen Erhalt. Bögel-Hoyer hob in ihrem Grußwort auf das Thema Gesundheit ab, ein Schwerpunkt der diesjährigen Gartentage. Die Pandemiezeit habe gezeigt, wie positiv Gärtnern in dieser Hinsicht wirken kann. Den eigenen Garten zu pflegen und ihn zu nutzen, trage in hohem Maß zum Wohlbefinden bei. Dies vor allem naturnah zu tun, sei das Gebot der Stunde.
Anschließend begrüßte die Geschäftsführerin des Landesverbandes der Gartenbauvereine, Dr. Petra Bloom, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, von denen viele langjährige Fans der Steinfurter Gartentage sind. „Mit 36 Anmeldungen ist die Liste gut gefüllt, darunter sind sieben „neue Gesichter“, die hoffentlich auch bald Fans der Steinfurter Gartentage sind“. Ihr besonderer Dank galt denjenigen, die mit der Anmeldung zu den Gartentagen auch die Mitgliedschaft im Landesverband der Gartenbauvereine beantragt hatten. Dass die Veranstaltung zudem auch hohen fachlichen Anspruch hat, wurde bei der Vorstellung des Veranstaltungsprogrammes deutlich. Im Anschluss an den Imbiss, zu dem auch in diesem Jahr wieder die Bürgermeisterin der Stadt Steinfurt eingeladen hatte, erhielten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Gelegenheit, sich persönlich vorzustellten. Dabei wurde deutlich, dass bei der Seminarwoche für viele der Gäste nicht nur Wissensvermittlung im Vordergrund steht, sondern auch das Erleben in einer Gruppe gleichgesinnter Gartenfreunde. Das gilt besonders für diejenigen, die schon mehrfach mit von der Partie sind und sich aufgehoben fühlen „wie in einer großen Familie“.
Mit dem traditionellen Rundgang durch den Kreislehrgarten erfolgte dann der Einstieg in das Fachprogramm. Der Leiter des Kreislehrgartens, Klaus Krohme, führte die Gruppe zunächst in das Obstquartier und erläuterte dort unter anderem die verschiedenen Kulturmethoden für Beerenobst. Auch der Bienenstand, der Wildstaudengarten und die Quittenwiese wurden vom interessierten Publikum in Augenschein genommen.
Anschließend ging es mit dem ersten Fachvortrag weiter. Der Gartentherapeut und Präsident der Internationalen Gesellschaft für Gartentherapie, Andreas Niepel aus Hattingen erläuterte in seinem Vortrag „Warum Schnecken im Salat der Seele gut tun“ den Zusammenhang zwischen Garten, Gärtnern und Gesundheit. Während es in den 1960 er Jahren im Hausgarten noch weitgehend um die Selbstversorgung mit Obst und Gemüse und somit um ökonomische Belange ging, standen ab den 1980 er Jahren auch zunehmend ökologische Aspekte im Fokus. Spätestens seit der Corona-Pandemie ist einer größeren Allgemeinheit bekannt, dass auch psychologische Aspekte beim Gärtnern und im eigenen Garten eine bedeutende Rolle spielen. Laut Niepel gehört die ökologische Einbindung zu den psychologischen Grundbedürfnissen des Menschen. Lange Wartelisten in Kleingartenanlagen, boomende Gemeinschaftsgärten und der Wunsch nach einem Häuschen im Grünen sind Indizien dafür, dass immer mehr Menschen sich einen Garten als Ausgleich zum Naturentzug im urbanen Raum wünschen. Ein Garten bietet positive Erlebnisse wie Genuss und Belohnung - falls die Ernte erfolgreich ist -, ist Ausdrucksraum für die eigene Persönlichkeit, Selbstbestimmung und freie Entscheidungen, bietet Raum für soziale Bindungen - sei es im Gemeinschaftsgarten oder bei der Gartenparty. Nicht zuletzt dient der Garten als Ort für Entspannung und Bewegung. Und was lehrt uns die Schnecke? Resilienz und den Umgang und das Ertragen von Niederlagen.
Am Dienstagvormittag ging es mit Miriam Schwenker, Geschäftsstellenleiterin beim EM e.V. in Bremen mit dem „Einsatz von Effektiven Mikroorganismen (EM) im Garten zur Pflanzenpflege und Bodenverbesserung“ weiter. Unter unseren Füßen tobt das Leben. Unzählige Mikroorganismen sind rund um die Uhr am Werk, zersetzen abgestorbenes organisches Material und produzieren Stoffwechselprodukte, die wiederum zur Nahrungsquelle für Pflanzen und andere Organismen werden. Gerät dieser natürliche Abbauprozess ins Stocken, kann es zu Pflanzenkrankheiten oder Fäulnis kommen. Durch den Einsatz einer regenerativen Mikrobenmischung, den sogenannten Effektiven Mikroorganismen (EM) kann das Zusammenspiel jedoch wieder hergestellt werden. EM enthalten natürliche Fotosynthesebakterien, Milchsäurebakterien und Hefen, die als Team die lokalen nützlichen Mikroorganismen in Schwung bringen und für die Regeneration der natürlichen Mikroflora sorgen. Im Anschluss an den Vortrag wurde im Kreislehrgarten eine Baumsanierung durchgeführt.
„Der Vorgarten, die Visitenkarte des Hauses“ lautete das Vortragsthema von Annegret Brinkschulte aus Steinfurt am Dienstagnachmittag. Dabei ging es weniger um eine geeignete Pflanzenauswahl, als vielmehr um Formen und Farben. „Der wahre Aufraggeber ist immer das Haus“ - das war der Leitsatz der Landschaftsarchitektin. Während der rückwärtige Garten oft als Erweiterung des Hauses und als privater grüner Wohnraum angesehen wird, erscheint der Vorgarten häufig weniger privat und teilweise sogar öffentlich. Anhand vieler Bildbeispiele stellte die Referentin Tipps und Tricks vor, mit denen man seinen Vorgarten passend zur Architektur des Hauses, zum eigenen Geschmack und zum Zeitbudget ansprechend gestalten kann. Es gab jede Menge hilfreiche Anregungen, um den eigenen Vorgarten als tolle Visitenkarte des Hauses zu gestalten.
Am Mittwoch ging es am Vormittag beim Vortrag der Geschäftsführerin des Landesverbandes der Gartenbauvereine, Dr. Petra Bloom, unter dem Motto „Gartenlust statt Gartenfrust“ um Praxistipps zum Pflanzenschutz. Ein spannendes Themenfeld, das viel mehr bedeutet als zur Giftspritze zu greifen. Viele chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel haben ihre Zulassung für den Hobbygartenbau verloren und man besinnt sich – auch was den Pflanzenschutz betrifft - zurück zur Natur. Die Natur kann sich selber helfen und der kluge Gärtner unterstützt sie dabei, indem er durch artenreiche Pflanzungen, Futterquellen und Rückzugsmöglichkeiten Nützlinge in seinen Garten holt. Auch mit standortgerechten Pflanzenarten und Sorten, die gegenüber Krankheiten oder Schaderregern resistent oder tolerant sind, richtigen Kulturmaßnahmen und mechanische Barrieren können Probleme mit Schädlingen und Krankheiten vermieden werden. Und es gibt eine Vielzahl von natürlichen Pflanzenstärkungsmitteln, Hausmitteln sowie im Handel erhältlichen biologischen Pflanzenschutzmitteln, die vorbeugend oder behandelnd eingesetzt werden können. Im praktischen Teil wurden ein Rhabarber-Zwiebelsud, der vorbeugend gegen Kraut- und Braunfäule an Tomaten und Kartoffeln angewendet werden kann, ein Ackerschachtelhalmtee gegen Sternrußtau an Rosen, sowie eine Holunder-Gesteinsmehl-Paste hergestellt. Letztere soll mit ihrem penetranten Geruch Wühlmäuse vertreiben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden eingeladen, die Mittel im eigenen Garten auf ihre Wirksamkeit zu testen und im nächsten Jahr über ihre Erfahrungen zu berichten.
Am Nachmittag stand dann die Exkursion auf dem Programm. Mit dem Bus ging es in den privaten Garten von Familie Schwietering nach Heek – Nienborg, einem nach belgischem Vorbild angelegten Staudengarten auf 4.000 m² Grundfläche. Die Besitzerin erläuterte in kurzen einleitenden Worten ihr Gartenkonzept: bei den Staudenrabatten handelt es sich um hierzulande eher unübliche Kombinationen, die überwiegend von ausgewählten Züchtern aus Belgien stammen. Dann bestand die Möglichkeit, den Garten auf eigene Faust zu entdecken und im angeschlossenen Laden nach hübschen Dekoartikeln zu stöbern. Aufgrund der Hitze suchten sich die Seminarteilnehmerinnen und -teilnehmer aber alle recht schnell ein schattiges Plätzchen, um den Garten bei Kaffee und Kuchen zu genießen und mit den anderen Seminarteilnehmern zu klönen und den dritten Seminartag gemütlich ausklingen zu lassen.
Am Donnerstag wurde es dann bunt und leider auch turbulent. Zunächst entführte Klaus Krohme die Seminarteilnehmer mit seinem Vortrag „(G)Arten-Vielfalt: Ideen für einen artenreichen Garten“ in die bunte und vielfältige Pflanzenpracht des Kreislehrgartens. Mit beeindruckenden Bildern weckte er das Bewusstsein für verschiedene Lebensräume im Garten und eröffnete Möglichkeiten, den Artenschwund mit einer geeigneten Pflanzenauswahl entgegenzuwirken. Bei dem anschließenden Rundgang durch den Kreislehrgarten konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die ökologischen Zusammenhänge in natura erleben – die Frösche im Naturteich haben den Rundgang lautstark untermalt - und Gestaltungsbeispiele für den eigenen Hausgarten entdecken.
Mit beeindruckenden Bildern weckte er das Bewusstsein für verschiedene Lebensräume im Garten und eröffnete Möglichkeiten, den Artenschwund mit einer geeigneten Pflanzenauswahl entgegenzuwirken. Bei dem anschließenden Rundgang durch den Kreislehrgarten konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die ökologischen Zusammenhänge in natura erleben – die Frösche im Naturteich haben den Rundgang lautstark untermalt - und Gestaltungsbeispiele für den eigenen Hausgarten entdecken.
Das Team des Kreislehrgartens hatte am Donnerstagvormittag hinter dem Kötterhaus bereits Pavillons, Tische und Bänke für das am Abend geplante Grillevent aufgebaut, so dass Angelika Laumann im Freien den kulinarischen Teil der Steinfurter Gartentage mit ihrem Vortrag über anregende und wohlschmeckende Kräuter einläuten konnte. Die passionierte Gärtnerin, die seit über dreißig Jahren im Kreislehrgarten tätig ist, stellte zunächst einige Kräuter-Neuheiten vor und demonstrierte unter anderem, wie man in einer ausgedienten Schubkarre ein Kräuterbeet für die Terrasse gestalten kann. Tipps zum Pflanzen, Vermehren und Dekorieren inklusive. Als dann das Team der Kochbühne Osnabrück kam, um das Grillevent vorzubereiten, verlegte die Referentin ihren Vortrag spontan in das Kräuterbeet im Kreislehrgarten. Bis die ersten dicken Tropfen vom Himmel fielen und eine heftige Gewitterfront mit Sturmböen und Starkregen das Veranstaltungsprogramm tüchtig durcheinanderbrachte.
Zum Glück konnten sich alle rechtzeitig ins Trockene retten und auch die Pavillons und das Equipment der Kochbühne waren vom Kötterhaus geschützt, so dass die Kochshow am Abend wie geplant stattfinden konnte. Es gab ein köstliches Grillmenü in vier Gängen, bei dem nicht nur Fleisch, sondern auch Gemüse und Fisch im Vordergrund standen. Es war richtig lecker und der Koch und Metzgermeister Thorsten Eickmann konnten sein Publikum mit launigen Geschichten und interessanten Tipps rund ums Grillen unterhalten. Bedauerlicherweise musste die Pilzwirtin und Trüffelsachverständige Sabine Hörnicke ihren für Freitag angekündigten Pilzvortrag corona-bedingt kurzfristig absagen. Aber sie hat zugesagt, zu den 56. Steinfurter Gartentagen zu kommen und ihren Vortrag nachzuholen. Ihr Trüffelsuchteam wird auch mit von der Partie sein und - wer weiß - vielleicht auch im Kreislehrgarten fündig werden.
Ein besonderer Dank gilt Angelika Laumann, die spontan eingesprungen ist und am Freitag noch mal das Thema „Wasser im Garten“ aufgegriffen hat. Es ging um die richtige Bewässerung und verschiedenen Möglichkeiten, Wasser im Garten zu sammeln und zu speichern. Auch konnte sie ihren am Vortrag quasi ins Wasser gefallenen Kräutervortrag zu Ende bringen und den Teilnehmenden weitere hilfreiche Tipps zur Bodenbearbeitung, Pflanzung und Stecklingsvermehrung mit auf den Weg geben.
Nach einer kurzen Rückschau auf die interessanten Vorträge, Workshops und Ereignisse gingen die 55. Steinfurter Gartentage Freitagmittag pünktlich zu Ende. Die Geschäftsführerin des Landesverbandes der Gartenbauvereine bedankte sich bei den Kolleginnen vom Serviceteam des Kötterhauses und beim Team des Kreislehrgartens für die großartige Unterstützung. Der Kreislehrgarten bietet mit dem Kötterhaus optimale Bedingungen für die Durchführung der Gartentage und ist eine einzigartige und grandiose Kulisse für den Seminarmix aus Theorie und Praxis.