„Wir machen das jetzt mal ganz anders, als es im Programm vorgesehen ist.“ Als Jutta Kuhles, Präsidentin des Rheinischen Landfrauenverbands, und Regina Selhorst, Präsidentin des Westfälisch-Lippischen Landfrauenverbands, bei der Siegerehrung im NRW-Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ am 5. November im Veranstaltungssaal auf Haus Düsse in Bad Sassendorf-Ostinghausen ans Mikrofon gingen, um die beiden Dörfer zu ehren, die die Sonderpreise der Landfrauenverbände gewonnen hatten, schaute Dr. Waldemar Gruber sogleich nervös auf seine Uhr. Der langjährige Leiter des Landeswettbewerbs war zuvor von Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen in den Ruhestand verabschiedet worden und hatte jetzt Sorgen, dass bei „seiner“ letzten großen Veranstaltung der „sportliche“ Zeitablauf ins Wanken geraten könnte.
Er ahnte dabei nicht wie die meisten Besucher im Saal, dass jetzt der unerwartete Höhepunkt der Siegerehrung bevorstand. „Wir holen nicht die beiden Siegerteams nach vorne.“ In der Tat hatten die Besucher zuvor 49 Mal immer das gleiche Prozedere erlebt: 32 Mal wurden die Teams der siegreichen Dörfer nach vorne geholt, um aus der Hand der Landwirtschaftsministerin ihre Urkunden in Empfang zu nehmen sowie einen Scheck; zwölf Mal rief Eckhard Uhlenberg, Präsident der NRW-Stiftung, Vertreter von Dörfern aufs Podium, die einen Sonderpreis errungen hatten; zweimal vergab die Landwirtschaftskammer einen solchen Preis, zweimal die Landwirtschaftsverbände und einmal die Landjugend. Und jedes Mal wurde ein Erinnerungsfoto gemacht.
„Wir bitten alle Frauen im Saal nach vorne, auch die Damen des Serviceteams und die Musikerinnen.“ Und so strömten alle Frauen nach vorne unter den ungläubigen Blicken der Männer, die aber sogleich von den beiden Präsidentinnen aufgeklärt wurden, um was es ging: „Meine Herren, schauen Sie sich das genau an. Ohne uns Frauen würde überhaupt nichts laufen im Dorfwettbewerb.“ Und nach einem kurzen Augenblick gab es stehenden Beifall von den Männern zu dieser unerwarteten Aktion.
Einen ähnlich starken Beifall hatte es zuvor gegeben, als das Dorf Schweinheim, Ortsteil der Stadt Euskirchen, einen Sonderpreis erhielt von der NRW-Stiftung „für die außerordentliche Leistung der Dorfgemeinschaft nach der Flutkatastrophe 2021, die durch ihren außerordentlichen Zusammenhalt aktiv Lösungen für entstandene Fragen gefunden hat.“
Natürlich galt der große Beifall auch den vier Golddörfern Benroth, Lütgeneder, Marbeck und Milchenbach, die im kommenden Jahr NRW beim Bundeswettbewerb vertreten werden. Abschließend berichteten zwei Vertreter aus Marbeck, wie dieses Dorf es geschafft hat, gleich bei der ersten Teilnahme die Goldmedaille zu erringen – ungewöhnlich, denn üblicherweise braucht es zwei, drei Anläufe für ein Dorf, um Gold zu erhalten. Das allerdings ist durchaus gewollt, denn jedes Dorf erhält von der Bewertungskommission einen Brief mit Handlungsvorschlägen, um weiter voran zu kommen und das Dorf zukunftsfähig zu machen.
Text und Bilder: Klaus Fischer, Landesverband der Gartenbauvereine NRW e.V.