So ganz neu war das für uns nun auch wieder nicht: die Bitte, den Stand auf der Landesgartenschau in Höxter für ein paar Tage zu betreuen. Schon 2020 waren meine Frau Kirsten und ich auf der LAGA in Kamp-Lintfort für einige Zeit die Ansprechpartner für Fragen rund um den Garten gewesen – und es war eine tolle Erfahrung! Doch jede Gartenschau ist anders und das diesjährige Höxter liegt nicht 50 km wie 2020, sondern 300 km von unserem Zuhause entfernt. Unsere spontane Reaktion auf diese Bitte war deshalb: „Ach nee, das ist uns effektiv zu weit.“ Als die Geschäftsführerin des Landesverbandes, jedoch einwarf, dass „qualifizierte Fachtage“ mit dem Schwerpunkt „Imkerei“ vorgesehen seien, kamen wir ins Grübeln. Da meine Frau bekanntlich passionierte Imkerin ist und sich immer freut, das Unwissen der Zeitgenossen über (Wild-)Bienen, Honig und Imkerei mit ihren jahrelangen Erfahrungen bekämpfen zu können, dauerte unsere Entscheidungsfindung lediglich Minuten. Noch am selben Tag sagten wir zu und buchten eine Unterkunft. Was wir damals natürlich noch nicht wussten: es war eine der besten Entscheidungen in 2023!
Doch der Reihe nach: um erst gar keinen Stress aufkommen zu lassen, reisten wir bereits am Vortag an, um den speziellen Parkplatz wie auch den Eingang für die Aussteller kennenzulernen und nicht am ersten „Arbeitstag“ suchen zu müssen. Anhand unseres Navis, der gemailten Wegbeschreibung und der äußerst freundlichen und hilfsbereiten Menschen, die wir trafen, war das Thema schnell abgehakt. So konnten wir am Folgetag routiniert diese bereits bekannten Stellen aufsuchen und unbesorgt zu unserem Ausstellungsstand „Urbaner Waldgarten“ gehen. Obwohl die Organisatoren der Gartenschau arg an Wegweisern gespart hatten, kamen wir rasch am Ziel an, da wir lediglich den „allgemeinen Infos“ folgen mussten, die wir vorab mit den Eintrittskarten vom Landesverband bekommen hatten. Unser erster Eindruck von dem „urbanen Waldgarten“: das hier war nicht 08/15, sondern gut durchdacht und anschaulich präsentiert, was uns sogar einige Besucher bestätigten: „Der Nutzgarten auf der Bundesgartenschau in Mannheim sieht aus, wie der Garten bei uns zu Hause. Hier dagegen kann man richtig was lernen!“ Auch der Pavillon war kein schlichter viereckiger Klotz wie oftmals üblich, sondern es war eine überdimensionale dem Erdball nachempfundene Kugel, deren Gerüst aus Drei- bzw. Sechsecken bestand und mit weißem Stoff überzogen war. Diese geräumige Kuppel nannte sich: „Geodome“ und war unser regen- und sonnenabhaltender Lager-, Aufenthalts- und Ausstellungsraum. Bei dem ersten Kennenlern-Rundgang über „unserem“ Gebiet stellten wir rasch fest, dass die Beete mit Gemüse, Obststräuchern und -bäumen, Gewürzen und Blumen sowie einem kleinen Teich, in dem es sich bereits Frösche bequem gemacht hatten, besucherfreundlich angelegt worden waren. Über Allem schien eine kräftige Herbstsonne vom blauen Himmel. Die äußeren Verhältnisse waren also schon einmal super. Jetzt konnten die Besucher kommen!
Die auffällig hohen Palmkohl- und violetten Grünkohlpflanzen auf dem vordersten Beet verfehlten ihre Wirkung als Eye-Catcher nicht: immer wieder blieben Leute stehen und schauten sich die, für viele unbekannten, Riesenpflanzen an. Oftmals entdeckten sie anschließend die ungewöhnliche rote Zichorie und den Neuseeländer Spinat. In diesen Momenten schaute ich mir die Gesichter der Besucher genauer an: kam ein „Bitte-nicht-stören-Blick“, ließ ich sie allein weiterstaunen, kam jedoch ein „Was-ist-das-denn-Blick“, schlenderte ich hin: „Wenn Sie eine Frage haben…“ und erklärte, was sie da gerade bestaunt hatten. In den meisten Fällen wurde daraus ein intensives Gespräch über deren Garten zu Hause mit den entsprechenden weiteren Fragen: „Vielleicht wissen Sie das ja…“. Die häufigsten Themen waren dabei Probleme mit Tomaten und Paprika. Solche und ähnliche Fragen waren rasch zu beantworten. Zumeist stimmte etwas mit dem Standort oder der Pflege nicht. So manchen Besuchern war auch nicht bewusst, dass Tomatenblüten sich durch Vibration selbst bestäuben, was im Gewächshaus durch die Windstille oft nicht möglich ist. Deshalb empfahl ich, die Pflanzen regelmäßig leicht zu schütteln. Bei vielen Fragen kamen mir meine lebenslange Gartenerfahrung, meine Kulturfehler, aus denen ich gelernt habe, sowie die regelmäßigen Besuche der Steinfurter Gartentage mit ihrer vielfältigen Wissensvermittlung zugute. Im Durchschnitt waren die Besucher jedoch recht gartenerfahren, deshalb musste ich bei meinen Erläuterungen nicht „bei Adam und Eva“ anfangen. Als allerdings eine nette, ältere Dame meinte, dass Tomaten keine Sonne mögen, da sie ja „Schattenpflanzen“ seien, fühlte ich mich doch veranlasst, das richtig zu stellen: „Es sind keine Schattenpflanzen, sondern Nachtschattengewächse, wobei diese Bezeichnung nichts mit dem Standort zu tun hat. Sie lieben die Sonne.“ Ab und an kamen allerdings Spezialfragen über Krankheiten und andere Besonderheiten. Da ich als Hobby-Gärtner die Unterhaltungen immer in dem Stil „Gespräche über den Gartenzaun“ führte – also auf Augenhöhe – hatten alle Besucher vollstes Verständnis, wenn ich eine Antwort schuldig bleiben musste. Es hat schließlich schon seinen Grund, dass die Ausbildung zum Gärtner drei Jahre dauert – und ich diese Ausbildung nicht absolviert habe!
Auf großes Interesse stießen die leicht nachzumachenden Anregungen: die Wurmkiste im Hochbeet, Schafwolle als Dünger, Mulch und Wasserspeicher und nicht zuletzt das Folienhaus aus Materialien, die oftmals im Garten vorhanden oder andernfalls rasch zu besorgen sind. Nach den Reaktionen zu beurteilen, wird so ein schlichtes Folienhaus in nächster Zeit in so manchem Garten zu finden sein.
Meine Frau Kirsten wunderte sich bei den qualifizierten Imker-Fachtagen, dass ungewöhnlich viele Besucher selbst diesem Hobby nachgingen oder zumindest in der Familie, der Nachbarschaft oder der Verwandtschaft jemanden kannten, der sich mit Bienen beschäftigte. Meiner Frau ist es wichtig, dass neben den Honigbienen auch die Wildbienen von den Menschen beachtet werden. Am Geodome und am Folienhaus hatte sie deshalb außer den Bildern der Imkerei diverse Wildbienenfotos platziert, die zudem jeweils mit einem ausführlichen Steckbrief versehen waren. Die Besucher waren sehr interessiert, mehr über die allzu leicht vergessenen Wildbienen zu erfahren. Das merkte man daran, dass, wenn meine Frau ein Gespräch beendet hatte, zumeist bereits ein neuer Interessent vor der Bilderwand stand, der auf weitere Erklärungen hoffte. Viele hörten auch aufmerksam zu, wenn Kirsten erläuterte, wie man aus Honig (500 g) und Kakaopulver (15 g) eigenen Nussnougat-Brotaufstrich herstellen kann, den jeder zudem noch durch Zugabe von fein gemahlenen Nüssen, Mandeln, Zimt oder Vanille verändern kann.
Bei den „Gesprächen über den Gartenzaun bzw. den Bienenkorb“ ging der Informationsaustausch jedoch nicht nur in eine Richtung, sondern wir lernten ebenfalls von den Besuchern. So waren mir Gerichte aus den Blättern der jungen Nachtkerze und Walnusslikör aus reifen Nüssen und deren Schalen bisher unbekannt. Durch die Gespräche mit Tina und Max, die den Waldgarten als studentische Hilfskräfte der UBI betreuen, bekamen wir außerdem Einblicke in das Leben der heutigen Jugendlichen – erstaunlicherweise lagen unsere Ansichten gar nicht so weit auseinander. Die Beete des „Urbanen Waldgartens“ boten nicht nur den Besuchern, sondern auch uns interessante Anregungen: so werde ich im nächsten Jahr wieder den Neuseeländer Spinat anbauen und mir von einer Bekannten Schafwolle besorgen.
Das beeindruckendste Erlebnis hatte ich allerdings bereits am ersten Tag. Am Ende eines langen Gesprächs sagte mir die Besucherin: „Im letzten Jahr habe ich eine Weinrebe gepflanzt. Wissen Sie, wie man die richtig schneidet?“ Zum Glück bearbeite ich meinen Weinstock schon seit über 20 Jahren und konnte deshalb meine Erfahrungen weitergeben. Sie sagte darauf: „Ich habe schon viel über den richtigen Schnitt gelesen. Aber so wie Sie mir das erklärt haben, habe ich es jetzt endlich verstanden.“ Durch solche Begebenheiten sieht man, dass sich der Besuch der Landesgartenschau für beide Seiten lohnen kann: der Besucher ist froh, ein Problem weniger zu haben und ich habe mich gefreut, dass ich helfen konnte. Ein schönes Gefühl.
Text Manfred Kotters, Bilder Petra Bloom