Gartenreise 2024: Manfred Kotters berichtet von der Englandreise

Ganz ehrlich: als ich am ersten Tag aus unserem Hotelzimmer nach unten kam und das Frühstücksangebot sah, dachte ich nur: „Oje, was ist das denn?“ Doch nachdem ich einfach mal die Logik eingeschaltet hatte, war das Speiseangebot des Hotels super: gebratene Würstchen und fettiger Speck für die notwendige Tagesration Kalorien, Haferflocken mit Trockenfrüchten und Nüssen für das Sättigungsgefühl sowie frisches Obst für die Vitamine. Kurzum: die ideale Kombination für die Bewältigung der täglichen Herausforderungen der Gartenreise des Landesverbandes vom 20.-26. Mai nach England. Was ich nie gedacht hätte: von einem Moment auf den nächsten vermisste ich mein geliebtes Vollkornbrot nicht mehr! So eine Gartenreise kippt auch andere lieb gewordene Gewohnheiten: ausgiebig Tageszeitung lesen oder Nachmittagsschläfchen gibt’s nicht; stattdessen wird Bus gefahren, gewandert, fotografiert und immer wieder gestaunt.

Es werden schließlich Orte besucht, die einen weltweiten Ruf genießen! Wer kennt nicht die „Chelsea Flower Show“!? Schon die Staus auf der Fahrt dorthin deuteten die Menschenmassen an, die diese jährlich stattfindende einwöchige Gartenschau in dem Vorort von London sehen wollten. Sie ist aber auch etwas Außergewöhnliches: auf 4,5 ha Fläche werden innerhalb von 2-3 Wochen Mustergärten geschaffen, die aussehen, als ob sie sich in Jahrzehnten langsam entwickelt hätten; mit großen Bäumen, Wildblumenwiesen oder sogar Mauern und tonnenschweren Felsstücken. Das „Schlimmste“ ist: nach einer Woche Schau werden sämtliche Gärten wieder abgebaut. Zum Glück werden sie jedoch an anderer Stelle wieder errichtet. Zwischen diesen Mustergärten fanden wir Verkaufsstände mit Gartengeräten, Bildern, Keramik und natürlich Pflanzen. Zentral stand bei unserem Besuch ein 12.000m² großes Zelt, in dem wirklich jeder Gartenliebhaber sein Thema finden konnte; ob Bonsai, Kakteen, Wasserpflanzen, Insektenschutz, Zwiebel- oder Knollengewächse und und und – auf zig Ständen von Anbietern aus der ganzen Welt wurde Bekanntes und Neues präsentiert. Das Erstaunliche: alle Blütenpflanzen waren so behandelt worden, dass sie exakt zur „Chelsea Flower Show“ ihre ganze Pracht zeigten – ganz gleich, welchen Biorhythmus sie ansonsten haben. In der Halle fand man zudem großzügige Flächen mit Blüten von Calla, Fingerhüten, Narzissen (im Mai!) und vielem mehr in den unterschiedlichsten Variationen. Kein Wunder, dass auch Mitglieder der britischen Königsfamilie diese Schau besuchen. Bei unserem Rundgang musste ich immer auf die Kaufbremse treten und mir sagen: das muss von hier noch bis nach Deutschland transportiert werden! Zumeist siegte die Vernunft. Gegen Ende unseres Besuchs fragte ich einen typisch britischen Polizisten („Bobby“), wo denn der Ausgang sei. Seine spontane Reaktion: „Oh, German! Jürgen Klopp!“ und lachte dabei spitzbübisch. Genau so freundlich und dazu rücksichtsvoll haben wir auch sämtliche Besucher erlebt, die sich mit uns dicht an dicht bei strahlendem Sonnenschein über das Gelände vorarbeiteten. Als wir wieder zu Hause waren und ich einer befreundeten Gärtnermeisterin von unserer Englandreise erzählte, sagte sie mit ein wenig Neid in der Stimme: „Du Glückspilz warst wirklich in Chelsea? Da will ich schon mein ganzes Leben lang hin. Hoffentlich schaffe ich das im nächsten Jahr!“ Als sie das gesagt hatte, freute ich mich doppelt, dass ich mich rechtzeitig beim Landesverband für die Fahrt angemeldet hatte.

Die RHS (Royal Horticultural Society = königliche Gesellschaft für Gartenbau) richtet nicht nur die „Chelsea Flower Show“ aus, sondern hat auch eigene Gärten, wie „Wisley Garden“ in der Grafschaft Surrey. Mit über einer Million Besucher jährlich, ist er einer der größten Gärten der Welt – und wir waren genau dort! Das überdimensionale Gewächshaus mit seinen drei Klimazonen zog uns nach einem Blick auf den Gartenplan magisch an. Wann kann man schon in kurzer Zeit sowohl durch eine Wüste als auch durch einen mäßig warmen oder einen tropischen Regenwald spazieren?! Beeindruckt waren wir vom Alpengarten; was da draußen wie drinnen auf unterschiedlichen Steinen, in kleinen Nischen oder auf Geröll präsentiert wurde, war schon einmalig; und jedes noch so kleine Pflänzchen war mit einem Namenschildchen versehen. Natürlich konnten wir der Versuchung nicht widerstehen und haben Sämereien von ausgefallenen Pflanzen im Shop mit unseren Pfundnoten erstanden. Wie unser rühriger Reiseleiter Klaus Fischer außerdem auf Nachfrage herausbekommen hatte, werden die meisten Beete mit den Endprodukten aus einer Biogasanlage gemulcht – ungewöhnlich aber wirksam. Bei dieser riesigen Fläche (97ha) war das Angebot der unterschiedlichsten Gärten so groß, dass wir beim Gang zurück zum Reisebus bedauernd sagen mussten: „Wir haben zwar viel gesehen, aber wir haben auch viel nicht gesehen“. Getrübt wurde unser Rundgang ein wenig durch einen beständigen Nieselregen, der mit Schirm aber gut zu ertragen war.

Diese Feuchtigkeit verstärkte sich leider, als wir im Anschluss daran den „Painshill Park“ besuchten. Da bereits in „Wisley Garden“ viel Beinarbeit geleistet worden war, entschieden wir uns für die „kleine“ Runde – soll heißen: zwei Kilometer. Während dieser Runde wurden wir Teil eines „lebenden Gemäldes“, wie Charles Hamilton seinen Park bezeichnet hatte, als er diesen im 18. Jahrhundert schuf. Das bedeutete, dass sowohl die Ruine als auch die Kristallgrotte und sogar der See, den wir umrundeten, komplett künstlich hergestellt worden waren, um lediglich als Blickfang aber nie irgendeiner Nutzung zu dienen. Oder besser „fast nie“: während wir nämlich die Kristall-Grotte besichtigten, nutzte ein Brautpaar die extravagante Kulisse als Hintergrund für ihre Hochzeitsbilder. Im Gedächtnis sind besonders die turmhohen, alten Bäume geblieben, die hier und da im Park verteilt standen sowie die bedauernswerten Buchsbüsche, die zünslergeschädigt hunderte von Metern unseren Weg säumten. Am Ausgangspunkt angekommen, waren wir froh, uns feucht, matt und hungrig wieder in die Sitze des Busses fallen lassen zu können.

Klar, dass Holger, unser Busfahrer, uns sicher zum Hotel bringen würde, wo, wie jeden Abend, ein 3-Gänge-Menü auf uns wartete. Während solcher Fahrten konnte man immer Fachsimpeleien hören, bei denen es um unbekannte Pflanzen aus dem gerade besuchten Garten (war es nun eine Kiwi oder doch eine Weinrebe??) ging; oder um verlässliche Methoden der Läuse- oder Schneckenbekämpfung. Unterwegs las ein Mitfahrer zudem hin und wieder lautstark die „Witze des Tages“ vor, was die mitunter langen Busfahrten herrlich auflockerte. Nicht ganz so locker war es für Holger, der es mit engen Dorfstraßen, Gefahren beim Ein- und Aussteigen der 56 Teilnehmer (Linksverkehr= unsere Bustüren zeigten zur Straßenmitte), gewissenhaften Zöllnern und vollen Autobahnen fürwahr nicht immer leicht hatte. So manches Mal haben sich die Teilnehmer sicherlich gedacht: „Gottseidank, dass ich nicht fahren muss!“ Ja – die Staus! Mit denen hatte auch unser Reiseleiter Klaus Fischer so seine liebe Not, da ihm so manches Mal die Zeit davonlief und er immer wieder umdisponieren musste. Insbesondere auf der Rückfahrt, als gefühlt ganz England auf’s Festland wollte und Dover zum Nadelöhr wurde, musste er uns Teilnehmer schon mal ungeliebte Botschaften überbringen. Aber auch das schaffte er stets mit der notwendigen Ruhe und einer gehörigen Portion Humor. Während der Garten-Besuchs-Tage hatte er mit Irina Hoss eine fachkundige Co-Reiseleiterin an seiner Seite, die uns Teilnehmer nicht nur im Bus, sondern auch in den Gärten und historischen Gebäuden mit Daten und Fakten zu den einzelnen Zielorten versorgte und zudem als Dolmetscherin wertvolle Hilfe leistete, da bei den meisten von uns die Schulstunden mit dem Fach „Englisch“ schon viele Jahrzehnte zurücklagen.

Die ersten Ausflugsziele „Wisley“ und „Painshill“ also im Regen – wie nicht anders von England zu erwarten war – sollte man zumindest denken! Doch das tatsächliche Wettergeschehen änderte sich über Nacht: schon am nächsten Morgen schien die Sonne durch unser Hotelfenster. Ab jetzt gab’s bis zur Heimfahrt nur noch ab und zu ein paar Wolken, Temperaturen zwischen 19 und 22°C und wenig Wind. Was wollten wir mehr – ideales Reisewetter! Mit Sonne von oben und etwas zu dicken, regenfesten Jacken (man weiß ja nie…) „erklommen“ wir nach der Ankunft in der Grafschaft West Sussex am nächsten Tag den Hügel, um zum „Arundel Castle“ zu gelangen, das bereits im 11. Jahrhundert erbaut worden war und zu den am besten erhaltenen Burgen Englands zählt. Das Schloss war nicht nur äußerst sehenswert, sondern auch perfekt organisiert: wenn man einen der Ausstellungsräume betrat, wartete dort schon eine fachkundige Person, die auf jede Frage eine Antwort wusste – natürlich in Englisch. Schön, dass wir uns der Gruppe „Deutsch“ angeschlossen hatten, da Irina Hoss hier als ständige Übersetzerin mit von der Partie war. Im Schloss waren ausschließlich Meisterwerke der Handwerkskunst ausgestellt: ganz gleich, ob Schwerter, Möbel, Uhren oder Schlitten. Der Garten war ebenfalls etwas Besonderes: durch seine mit alten Mauern geschützte Lage können sogar Bananen- und Palmenpflanzen den ganzen Winter im Boden bleiben. Im preisgekrönten Garten „The Stumery“ (Die Stümpfe), gaben bizarr umgedrehte Wurzeln alter Eiben, Edelkastanien- und Eichenstümpfen dem Garten einen urigen Charakter. Schon auf der Hinfahrt zum „Arundel Castle“ fiel auf, dass in dieser Gegend fast ausnahmslos alte Häuser mit entsprechenden Vorgärten zu sehen sind – Schottergärten sind hier wirklich kein Thema!

Ebenfalls historisches Gemäuer konnten wir beim „Sissinghurst Castle Garden“ erleben. Der ab 1930 von Vita Sackville-West und ihrem Mann Harold Nicolson angelegte Garten zieht jährlich rund 160.000 Besucher an – zu Recht. Bekannt ist insbesondere der „Weiße Garten“, in dem nicht nur die Blütenfarbe Weiß in unterschiedlichen Abstufungen, sondern auch graues und silberfarbiges, mattes Laub dominieren. Für die überwältigende Blüte der zentral gepflanzten weißen Ramblerrose war unser Besuch leider zu früh im Jahr; aber man kann nicht alles haben. Von der Plattform des alten Turms aus hatte man eine komfortable Übersicht über das komplette Gelände, das auch eine Grasfläche beinhaltet, in der Obstbäume stehen, die wachsen dürfen, wie sie wollen – keine Säge oder Schere hat hier je eingegriffen. Die Wege durch diese Gras-/Kräuterfläche waren lediglich von einem Rasenmäher geschaffen worden, wodurch kein zusätzliches Material störte und so die grüne Harmonie bewahrt wurde. Mit seinen über 100 Kräutern zählt der Kräutergarten von Sissinghurst zu dem artenreichsten in ganz England. Neben Kräutern wurde in früheren Zeiten auch Hopfen angebaut, was wir an den Hopfentrocknungsgebäuden erkennen konnten – allerdings erst, nachdem uns Klaus Fischer aufgeklärt hatte, was es mit diesen markanten, ungewöhnlichen Gebäuden auf sich hat, die aussehen, als wären sie mit einem überdimensionalen Bleistiftanspitzer bearbeitet worden.

Ein gänzlich anderes Naturgefühl als in den bisherigen Gärten boten die „Waldgärten von Ramster“, die man an der Grenze zu West Sussex finden kann. Von mächtigen, alten Bäumen beschirmt, fanden wir entlang der verschlungenen Waldwege neben Skulpturen aus den unterschiedlichsten Materialien immer wieder uns unbekannte Pflanzen, die wir mittels App (ist schon praktisch) rasch bestimmen konnten. Beeindruckend waren insbesondere die wuchtigen Rhododendronbüsche, die schon in den Anfangsjahren des 1890 angelegten Waldgartens gepflanzt worden waren und deshalb mächtige Stammdurchmesser hatten; zum Glück waren wir genau zum Blühzeitpunkt dort. In diesem historischen Waldgarten wachsen sage und schreibe rund 300 Rhododendron- und Azaleenarten. Nach den vielen Schritten und neuen Eindrücken freuten wir uns alle, dass es hier auch ein Tea-House gab, im dem wir mit Kuchen und Kaffee/Tee versorgt wurden.

Danach ging’s zurück zum komfortablen Hotel in Reading – unser zentraler Ausgangspunkt für alle Tagestouren. Obwohl es zentral im Ort gelegen war, wurden wir kaum von irgendwelchem Lärm gestört, da unser Zimmer im 9. Stock lag und das Zimmer nach hinten hinaus ging. Was uns in Reading auffiel, war das fast gänzliche Fehlen von PKW; dafür fuhren im Sekundentakt (nicht übertrieben) die unterschiedlich farbigen Busse. Um diesen Ort besser kennenzulernen, bekamen wir Teilnehmer direkt am ersten Tag eine Führung durch Reading. Obwohl der Stadtführer englisch sprach, waren wir doch von dem beeindruckt, was er uns an alten Gebäuden, Ruinen und Plätzen zeigte. Natürlich haben wir nicht alles verstanden, aber er redete so enthusiastisch, dass die Begeisterung rasch übersprang. Eine weitere Stadtführung bekamen wir nach der „Chelsea Flower Show“, als wir mit unserem Bus durch London fuhren und Irina Hoss uns live präsentieren konnte, was wir bisher nur aus Büchern oder vom Bildschirm kannten: den Tower, das Riesenrad, Big Ben oder Westminster Abbey.

In eigener Regie konnten wir Canterbury in der Grafschaft Kent kennenlernen. Es war der letzte Programmpunkt vor unserer Fahrt nach Dover. Durch Staus und andere Verzögerungen hatten wir leider nur recht wenig Zeit; trotzdem waren wir wirklich beeindruckt von den historischen Gebäuden, wie der „Canterbury Cathedrale“, in der der Erzbischof von Canterbury seinen Sitz hat.
Als Sahnehäubchen der Gartenreise besuchten wir völlig außerplanmäßig die kleine, vom Grunde her unscheinbare Kirche „All Saints‘ Church“ in Tudeley in Kent. Es ist die einzige Kirche auf der Welt, die alle ihre zwölf Fenster vom russischen Künstler Marc Chagall gestaltet bekommen hat. Klaus Fischer konnte uns sogar die bemerkenswerte Hintergrundgeschichte dazu im Bus erzählen. Wir waren uns alle einig: der kleine Fußmarsch zur Kirche hat sich fürwahr gelohnt.

Gelohnt hat sich auch die gesamte Gartenreise, die uns noch lange in sehr guter Erinnerung bleiben wird; zum einen, wenn wir die weltweit bekannten Gärten irgendwann im Fernsehen wieder sehen werden und zum anderen, wenn wir die gekauften Pflanzen und Sämereien unserer heimischen Erde übergeben haben und sie jeden Tag bewundern können. Ich habe noch eine zusätzliche Erinnerung: die mitgebrachte Original-englische Orangenmarmelade wird mich lange Zeit an das anfangs ungewohnte Frühstück erinnern, wenn ich sie zusammen mit meinem geliebten Vollkornbrot genieße. Zum Abschluss verriet Klaus Fischer noch, wohin die Reise im September nächsten Jahres gehen wird: Südtirol und Gardasee.

Text: Manfred Kotters

Bilder: Klaus Fischer