Umdenken hilft den Insekten

Dass die Insekten und insbesondere die (Wild-)Bienen immer mehr auf unsere Hilfe angewiesen sind, wissen wir Gartenfreunde seit langem, deshalb säen und pflanzen wir verstärkt Blütenpflanzen, um Pollen und Nektar anbieten zu können. Doch es gibt auch eine andere Art, Hilfestellung zu leisten: umdenken! Um das zu erläutern, muss ich ein wenig ausholen.

Wer schon einmal eine Zeitlang ein Maisfeld beobachtet hat, der hat dort sicherlich festgestellt, dass sich die Vegetation einige Zeit nach der Aussaat schlagartig verändert. Anfangs kommen nämlich nicht nur die kleinen Maispflänzchen aus der Erde, sondern auch viel unterschiedliches Begleitgrün, auch unter der Bezeichnung Unkraut bekannt. Doch schon kurze Zeit später werden diese unerwünschten Gewächse braun, da sie mit der chemischen Keule erschlagen worden sind – nur der Mais bleibt übrig. Deshalb sieht man später im Sommer lediglich den kahlen Boden und darauf die riesigen Maispflanzen. Was man dort nicht sieht: Pflanzen, Insekten und Vögel. Warum auch – es gibt hier ja nichts zu holen. Da die Wildpflanzen verschwunden sind, finden die Insekten keine Blüten und die Vögel finden keine Insekten oder Körnerfrüchte, die sie aber zum Überleben benötigen. Irgendwie eine lebensfeindliche Zone. Warum macht der konventionell arbeitende Landwirt das? Er macht es nicht, um die Umwelt zu schädigen! Er macht es, um seinen Ertrag zu maximieren, indem er die konkurrierenden Pflanzen ausschaltet – gängige Praxis eines ganz normalen Unternehmers. So ist nun mal sein Beruf und so sichert er sein Einkommen. Das kann jeder beurteilen, wie er möchte.

Jetzt aber mal Hand auf’s Herz: wie sieht’s denn bei uns Hobbygärtnern aus? So gibt es immer noch Mitmenschen, die ihre Pflasterung mit der chemischen Keule bearbeiten, um auch das letzte bisschen Grün in den Fugen zu beseitigen; und das nicht, um den Lebensunterhalt zu sichern, sondern lediglich aus rein optischen Gründen. Doch man muss gar nicht so radikal handeln, um den Insekten Nahrungsquellen vorzuenthalten. Da muss ich mir auch an die eigene Nase fassen: auf meinem Möhren- oder Feldsalatbeet ziehe ich ebenfalls alles heraus, was nicht Möhre oder Feldsalat ist. Warum? Na, um meinen Ertrag zu maximieren, indem ich konkurrierende Pflanzen ausschalte. Erkennt da jemand eine Parallele? Das gleiche gilt für die meisten Blumenbeete. Auf Kulturflächen, also auch im Hobbygarten, eine völlig normale Vorgehensweise, da es ja eine gute Ernte geben bzw. es schön aussehen soll.

Jetzt endlich komme ich zum eigentlichen Thema: umdenken.

Wir Hobbygärtner beackern mit unseren Gärten in etwa so eine große Fläche wie Deutschland Naturschutzgebiete hat; dadurch haben wir auch einen nicht unerheblichen Einfluss auf unsere Umwelt. Neben unseren „ertragsmaximierten“ Beeten können wir nämlich auch Flächen im Garten so einrichten, dass die Natur dort unordentlich, also naturgemäß, sein darf. Worüber viele nicht nachdenken, ist nämlich, dass sogar unscheinbare Wildpflanzen sowie lästige Unkräuter mit wiederum unscheinbaren Blüten den (Wild)-Bienen willkommene Nahrungsmöglichkeiten bieten können. Hier ein paar Beispiele:

Blütenwertigkeit:
0 = Nichts
1 = Gering
2 = Mittel
3 = Gut
4 = Sehr gut

Viel „gehasste“ Gartenpflanzen wie Giersch oder Zaunwinde werden aus der Sicht der (Wild)-Bienen zu beliebten Ausflugszielen, da sie mit folgenden Werten locken: Nektar (N): 2, Pollen (P): 2. Aber auch Kornblume (N 3, P 2), Wegwarte (N 3, P 3), Ackerkratzdistel (N 3, P 2) oder die vermehrungsfreudige Goldrute (N 3, P 2) sollten aufgrund ihrer Insektenfreundlichkeit nicht radikal aus dem Garten verschwinden. Nachdem diese Pflanzen den Insekten mit ihren Blüten gedient haben, sollten wir jedoch einschreiten und aus gutem Grund die Samenbildung vermindern. Wertvoll sind ebenfalls Vogelmiere und Gundermann, die zwar nicht so hohe Werte (N 2, P 1) haben, aber durch die Vielzahl der Blüten überzeugen. Die Vogelmiere aber auch die rote Taubnessel (N 2, P 1) zeigen (bei milden Wintern) zudem fast ganzjährig ihre Blüten, so dass auch früh im Jahr fliegende Hummeln schon etwas Essbares finden können, um den Beginn der neuen Generation zu sichern. Bemerkenswert sind Spitz- und Breitwegerich (N 0, P 3), die zwar für die Honigbiene nicht so bedeutend aber für die Wildbienen fast lebensnotwendig sind, da sie eine ordentliche Portion Pollen anbieten – die Hauptnahrung der Wildbienen.

Für uns bedeutungslose und ungeliebte Pflanzen locken also ebenso Insekten an wie die auffallenden Sonnenblumen (N 3, P 3), Dahlien (N 2, P 2), Kugeldisteln (N 3, P 2) oder Lilien (N 3, P 3), an die wir uns erfreuen. Wenn wir also ein wenig umdenken und unseren Garten einmal mit den Augen der Insekten betrachten, ergibt sich plötzlich für uns ein neuartiges und überraschendes Bild: die gelb blühende Forsythie, die wir ob ihrer Schönheit im Frühjahr bewundern, wird von den Insekten in keinster Weise beachtet, da sie weder Nektar noch Pollen bietet. Der Löwenzahn hingegen, der uns auf den Beeten und in den Pflasterfugen mit seiner Hartnäckigkeit nervt, ist mit seinen Blütenwerten (N 3; P 4!) ein reich gedeckter Tisch für die (Wild-) Bienen. Oder der Rasen: kommt er als reine Grünfläche daher, ist er für die kleinen Tierchen eine Nullnummer; lassen wir jedoch in einer Ecke blühenden Weißklee (N 4; P 3) mitwachsen, helfen wir den Insekten auf denkbar einfache Weise. So ein Perspektivwechsel gepaart mit ein wenig gutem Willen und der Abkehr vom Perfektionismus könnte also die ideale Lösung für Mensch und Tier sein.

Text und Bilder Manfred Kotters